Die Qualität der Betreuung und ein auch von der Betreuungszeit her ausreichendes Angebot müssen Priorität vor der Beitragsfreiheit für alle Einkommensgruppen haben. Es ist zu bezweifeln, dass das Land alle drei Ziele gleichzeitig finanzieren kann, ohne dass andere wichtige Landesaufgaben, die ebenfalls zu finanzieren und auszubauen sind wie z.B.
- eine bessere Schulbildung mit weniger Unterrichtsausfall und kleineren Klassen, insbesonder in den Grundschulen,
- eine verbesserte Hochschulbildung,
- ein verbessertes ÖPNV-Angebot,
- eine bessere Personalausstattung im Bereich von Polizei und Justiz,
- eine bessere Finanzausstattung der Kreise und Gemeinden,
- mehr Wohnungsraum in Zuzugsgebieten, z.B. durch mehr Studentenwohnheime),
- die (energetische) Modernisierung öffentlicher Gebäude,
- die Einrichtung eines Denkmalfonds für den Erhalt des baukulturellen Erbes, um Brandenburg als Tourismusziel und Lebensort attraktiver zu machen,
darunter leiden.
Insofern sollten die Landesmittel im Bereich der Kitas bis auf weiteres weiterhin prioritär in die Qualität der Betreuung, den Ausbau des Angebots und der Betreuungszeiten und die Senkung der Beiträge für untere und mittlere Einkommen als prioritäre Zielgruppen von Sozialpolitik investiert werden. Ob das Ziel der Beitragsfreiheit auch für mittlere und höhere Einkommen finanziert werden kann, ohne dass Einschränkungen beim Kita-Angebot, der Kita-Qualität und der Kita-Ausstattung zu befürchten sind, muss später gegenüber anderen Zielen abgewogen werden, sofern sich die Landesfinanzen weiterhin positiv entwickeln.
Weder der Bildung noch den Eltern und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes wäre damit gedient, wenn die Kita-Betreuungsqualität, das Angebot oder auch die Schulbildung in Brandenburg – so wie in Berlin, wo die Stadt zwar kostenfreie Kitas finanziert hat, aber z.B. seine Schulen seit Jahren hat verfallen lassen – unter einer verfrühten Beitragsfreiheit leiden. Wenn finanzschwache Kommunen nicht mehr die Möglichkeit haben, höhere Qualitäts- und Ausstattungsstandard als vom Land finanziert ggf. durch sozial gestaffelte Kitabeiträge zu finanzieren, dann wäre jedoch damit zu rechnen, dass die Ausstattung der Kitas unter der Beitragsfreiheit leiden und die Kommunen die Betreuungszeiten verkürzen.
Sollte letzteres eintreten, dann müssten viele Eltern auf Arbeitszeit und damit auf Einkommen verzichten. Der Teil der Eltern, die bisher Kita-Beiträge zahlen (das sind ja gerade nicht diejenigen, die nichts oder wenig verdienen, sondern insbesondere diejenigen mit durchschnittlichem oder hohem Einkommen) könnten einen Teil dieses Einkommensverzicht dann an Kitagebühren wieder einsparen. Leidtragende dieser Form von Sozialpolitik für den Mittelstand und die Oberschichten, wären dann insbesondere diejenigen, die bisher keine oder nur geringe Kita-Beiträge gezahlt haben.
Warum beitragsfreie Kitas ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit sein sollen, wie der Antrag behauptet, erschließt sich vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht unmittelbar und ohne jede weitere Begründung. Vielmehr droht sehr vielen Familien durch diese Form von „Sozialpolitik“, die zwar zunächst populär sein mag, eine große soziale Verschlechterung. Das wäre Sozialpolitik verkehrt – eine Sozialpolitik, die sich vor allem an Symbolen orientiert, aber nicht wirklich durchdacht ist.
Um solche Einschränkungen sicher verhindern zu können, müsste das Land die Kitas den Kommunen daher so auskömmlich finanzieren, dass mit derlei Einschränkungen durch die Kommunen nicht gerechnet werden muss. Wenn das Land den Kommunen verbietet, Elternbeiträge zu erheben, ist jedoch zu bezweifeln, dass es ausreicht, den Kommunen einfach nur die 90 Mio. Euro Einnahmeausfall zu ersetzen.
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