Veranstaltung: | Landesparteirat |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge Verschiedene |
Antragsteller*in: | KV Teltow-Fläming (dort beschlossen am: 01.03.2017) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 02.03.2017, 12:38 |
V1: Das Denkmal „Ehemalige Heeresversuchsstelle Kummersdorf-Gut“ erhalten und entsprechend seiner geschichtlichen Bedeutung entwickeln!
Antragstext
Wir fordern die Landesregierung auf
das Denkmal Kummersdorf Gut in seiner vollen Bedeutung anzuerkennen,
ihrer gesetzlichen Verpflichtung endlich nachzukommen und die
militärhistorischen Objekte zu erhalten,
keine Planungen zu befördern, die den geltenden Regionalplan aushebeln
oder die sich über Natur- und Denkmalschutz hinwegsetzen und
gemeinsam mit den Gemeinden und dem Landkreis, mit Historiker*innen und
Akteur*innen vor Ort ein angemessenes Konzept für Aufarbeitung,
Präsentation und Entwicklung des Geländes unter Beachtung von Natur– und
Denkmalschutz zu erstellen.
Begründung
Das Gelände Kummersdorf Gut liegt im Landkreis Teltow-Fläming, teilweise auf dem Territorium der Gemeinde Nuthe-Urstromtal, teilweise auf dem der Gemeinde Am Mellensee. Es ist über 3.500 ha groß, davon steht eine Fläche von ca. 2.000 ha unter Denkmalschutz. Seit März 2012 ist das Gelände weitgehend im Eigentum des Landes Brandenburg, ein kleiner Teil ist im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland verblieben.
Das Denkmal „Ehemalige Heeresversuchsstelle Kummersdorf-Gut“ wurde 2007 in Gänze in die Brandenburgische Denkmalliste eingetragen. Es ist vermutlich das größte Denkmal Brandenburgs und das einzige, das zugleich Bau-, Boden-, Garten- und technisches Denkmal ist.
(Ehemalige Funktion)
Seit ca. 1875 wurde hier alle wesentliche deutsche Kriegstechnik entwickelt und erprobt - von Artillerie über Festungsbau, von der Panzer- zur Raketentechnik, vom Sprengstoff zur Atombombe. Es handelte sich um DAS zentrale militärische Forschungszentrum Deutschlands.
Hier wurde die weitreichende Artillerie mit verschiedenen Sprengköpfen auf den zwei gigantischen Schießbahnen - Ost (12 Km) und West (7 Km) - mit Dutzenden Beobachtungsbunkern getestet. In Kummersdorf wurde u.a. der "schwere Gustav" entwickelt und getestet, die größte jemals eingesetzte Kanone.
Panzer und andere Militärfahrzeuge wurden hier entwickelt und gebaut - zentrale Voraussetzung für die deutsche Kriegsführung im 2. Weltkrieg. Extrembeispiel ist der superschwere Panzer "Maus" von Ferdinand Porsche, mit 1.200 Tonnen Gewicht der größte jemals gebaute Panzer der Welt.
Kummersdorf steht ferner für die Entwicklung der modernen Raketenwaffen, die später in der Außenstelle Peenemünde weiter getestet und eingesetzt wurden. Bis heute sind Raketen Träger von Massenvernichtungswaffen. Wernher von Braun hat hier maßgeblich gewirkt.
Und schließlich wurde in Kummersdorf an der kontrollierten Kernspaltung zur Entwicklung der deutschen Atombombe geforscht.
Im Vergleich zu Peenemünde ist Kummersdorf wegen der Vielfalt der Waffengattungen, der Nutzungsdauer sowie der erhaltenen Objekte (ca. 5.000 historische Einzelobjekte) historisch und wissenschaftlich bedeutender. Eine Masterarbeit der BTU Cottbus (Lehrstuhl Prof. Dr. Schmidt) bescheinigt Kummersdorf das Potenzial einer UNESCO-Welterbestätte.
Zusätzlich zur militärhistorischen Bedeutung ist der Naturraum gekennzeichnet durch zwei Naturschutzgebiete und FFH-Gebiete in mehreren Teilflächen: Kummersdorfer Heide/Breiter Steinbusch, Teufelssee und Schulzensee. Außerdem sind die Kriterien des gesetzlichen Biotopschutzes erfüllt. Das Zusammenwirken von historischen Testanlagen und Natur gibt dem gesamten Gelände einen besonders wirkungsvollen Charakter.
(aktuelle Situation)
Das Denkmal ist zurzeit völlig ungepflegt. Die Anlagen verwahrlosen und verfallen, obwohl das Land als Denkmal-Eigentümer zum Erhalt seines Denkmals gesetzlich verpflichtet ist. Um von der historische Dimension des Geländes abzulenken, wird in der Öffentlichkeit oft statt des korrekten Begriffs „Ehemalige Heeresversuchsstelle Kummersdorf Gut“ gerne der Begriff „Militärgelände Sperenberg“ verwendet.
Eine historische Aufarbeitung findet nur im Rahmen eines kleinen, ehrenamtlich geführten Vereins statt. Dieser kann weder den Erhalt der Anlagen und Objekte noch die wissenschaftlich-historische Aufbereitung wegen der schieren Größe und Komplexität leisten.
Aktuell gibt es Pläne eines Investors, den größten Teil des Geländes mit Windkraftanlagen und Photovoltaikfeldern samt Zuwegung, Brandschneisen, und Versorgungswegen zu überziehen, um ein Multienergie-Kraftwerk (MEKS), das in Sperenberg entstehen soll, zu speisen.
Diese Pläne werden von den umliegenden Kommunen, die sich Erträge hieraus versprechen, sowie der Landesregierung unterstützt.
Diesen Investitionsplänen steht allerdings der im Sommer 2015 in Kraft gesetzte Regionalplan Havelland-Fläming entgegen, der die Kummersdorfer Liegenschaft als Windeignungsgebiet ausschließt. Ferner sind bereits nach dem Brandenburgischen Denkmalschutzgesetz (BbgDSchG) Windkraftanlagen auf dem Gelände der Heeresversuchsstelle sowie in seiner Umgebung rechtswidrig. Und schließlich widersprechen naturschutz- und hier insbesondere artenschutzrechtliche Belange - in dem Gebiet ist z.B. der Seeadler heimisch - einer Nutzung mit Windkraftanlagen.
(Handlungsbedarf)
Es gilt, hier einen Geschichtsort mit herausragender, internationaler Bedeutung zu erhalten und in einem anti-militaristischen Zusammenhang aufzubereiten.
Kummersdorf ist ein Täterdenkmal, das einer historischen Einordnung bedarf. Es darf nicht alten und neuen Nazis, Waffenfetischisten und Militärtouristen überlassen werden.
In Kummersdorf wurden Vernichtungswaffen nie gekannter Effizienz für deutschen Größenwahn, die Weltherrschaft, den "Endsieg", im Namen bizarrer, inhumaner Ideologien gebaut - und zwar von intelligenten, kreativen, motivierten, hervorragend ausgebildeten Menschen: Chemikern für Giftgas, Ingenieuren für Raktenantriebe, Elektronikern für die Flugbahnsteuerung, Physikern für fortgeschrittene Ballistik und gezielte Kernspaltung.
Es ist leichter, Opferdenkmäler errichten. In dem man mit Opfern trauert, stellt man sich ein Stück weit auf ihre Seite - und rückt ab von den Tätern. Eine Stätte, an der man der Opfer gedenkt, vermittelt eine unmissverständliche Botschaft.
Kummersdorf als Täterdenkmal steht für die Verführung, für das moralische Versagen, für die Mitschuld der deutschen technisch-wissenschaflichen Elite. In Kummerdorf muss man fragen:
Was hat denn dazu geführt, dass sich kluge Köpfe für Krieg, Vernichtung und Rassenideologie begeistern ließen?
Wie funktioniert Propaganda und Diktatur in den Köpfen? Damals wie heute?
Welche Mechanismen führen zu Anpassung und Akzeptanz, schließlich zu Einbindung, Begeisterung, Mitschuld?
Ein Täterdenkmal ist unbequem, weil es auf Probleme hinweist, die auch heute noch bestehen:
der scheinbar wertfreie, allein technikorientierte Ingenieur, der in seiner Ausbildung von Fragen des Einsatzes seiner Entwicklung fern gehalten wird oder selbst die Augen verschließt. Damals wie heute steht nichts von Gesellschaftswissenschaften, Werte- oder Moralphilosophie auf dem Stundenplan unserer Wissenschaftler und Ingenieure.
die vorgeblich wertfreie Wirtschaft, bei der es scheinbar immer nur um Arbeitsplätze und Wohlstand geht – die aber tatsächlich nach Profit strebt, auch im Geschäft mit Krieg, Tod und Gewalt. Deutsche Waffen fanden und finden reichlich Absatz - und bei weiten nicht nur bei demokratischen Staaten und zu „Friedenszwecken“. Die aktuellen Konflikte in Syrien, Afghanistan und in Afrika stellen die Forderung nach dem Verbot oder zumindest der wirksamen Einschränkung von Waffenexporten in besonderem Maße in den Vordergrund.
Kummersdorf wurde vom Land Brandenburg zu recht unter Denkmalschutz gestellt. Aber das Land Brandenburg vergisst, dass es als Eigentümer des Denkmals durch ein vom Land selbst geschaffenes Gesetz für den Erhalt des Denkmals zuständig ist. Es lässt die Objekte in Kummersdorf verfallen und überlässt die Interpretation der historischen Zusammenhänge falschen Leuten.
Es gibt aber auch hoffnungsvolle Ansätze. Die „Projektgruppe des Dokumentations- und Forschungszentrums Kummersdorf Gut“ hat das Ziel, das ehemalige Versuchsareal als „Museum in der Natur“ einer internationalen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und damit den einst kriegsdienlichen Ort in einen friedlichen Bildungs- und Reflexionsort umzugestalten. Leider wird die Arbeit dieser Gruppe bisher vom Land ignoriert.
Änderungsanträge
- Ä1 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 24.03.2017), Eingereicht)
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